Die steinerne Matratze von Margaret Atwood

November 21, 2016




(Original: "Stone Mattress" / 2014) Berlin Verlag, Übersetzer/in: Monika Baark, 304 Seiten, gebunden,  Einzelband, ★★★() 4 bis 5 Sterne
"»Verna hatte anfänglich nicht vorgehabt, jemanden zu töten.« Mit diesem fulminanten ersten Satz beginnt die titelgebende Erzählung und sofort befindet man sich im Atwood-Kosmos, sofort wird man hineingezogen in eine Geschichte, die hintergründig, spannend und unglaublich komisch zugleich ist.
Verna begibt sich auf eine Arktisreise, um endlich alles hinter sich zu lassen, um abzuschalten. Doch statt Ruhe, Weite, Eis und Schnee trifft sie unerwartet auf den Mann, der ihr Leben für immer veränderte, als er sie vor über fünfzig Jahren zum Schultanz lud, die unscheinbare, fleißige Verna Pritchard an der Seite des begehrten Footballstars. Wie Verna nun späte Rache übt, erzählt Atwood so lakonisch und souverän, wie es nur die »Queen der kanadischen Literatur« (Literarische Welt) vermag, erzählt in einer einzigen Geschichte ein ganzes Leben. All ihre stilistische Virtuosität, die Leichtigkeit, den Witz und die Ironie legt Margaret Atwood in diesen Band, ein Glanzstück ihrer Erzählkunst."


MEINE MEINUNG | FAZIT 

"Es ist, als würde man gezwungen, jemandes Badezimmerspiegel zu sein, einer vom der Sorte, der alles vergrößert: selten eine schöne Erfahrung.“  S.7

Neun grandiose Erzählungen hält Margaret Atwood hier für uns bereit, die man nicht immer auf den ersten Blick zu deuten vermag, die aber dennoch eine starke Aussagekraft haben. Nicht immer am "normalen" Leben entlang geführt werden hier Erzählperspektiven aufgegriffen, die in einer solch beruhigenden Art und Weise daherkommen, welche aber teilweise von genau dem Gegenteil erzählen. Alle Erzählungen haben etwas Düsteres, etwas Unheimliches, etwas das hinter der Fassade der Erzähler verborgen zu sein scheint. Umso spannender für den Leser hinter diese Fassaden zu blicken. Bei mir war es tatsächlich dieses Gefühl, dass man schon bei den ersten paar Seiten weiß, man hat hier eine gute Schriftstellerin vor sich. Die Erzählungen nehmen einen gefangen und fordern einen dazu auf, das Geschehene eigenständig zu interpretieren. Dabei muss ich gestehen, dass mich die letzte Erzählung mit den meisten Fragezeichen zurückgelassen hat und ich sie mir sicherlich noch einmal vornehmen werde. Denn bei ihr wird der Leser nicht nur dadurch mit zweifelhaften Aussagen konfrontiert, weil Atwood generell gerne mit den Grenzen des tatsächlichen Geschehens spielt, sondern weil die Protagonistin selbst das Tageslicht verliert und sich ebenfalls auf andere Aussagen stützen muss. Es ist wirklich spannend zu sehen, wie die Aufmerksamkeit des Lesers durch diese Spielerei variiert und wie man sich versucht in dem Gesagten zurechtzufinden.

"Natürlich. Man kann nur eine bestimmte Zeit lang Mitleid haben mit einem Menschen; irgendwann bekommt man das Gefühl, sein Leiden sei ein bewusster Akt der Böswilligkeit.“  S.131

Tatsächlich hat mich keine Erzählung enttäuscht. Jede hält etwas sehr Spezielles bereit und versucht damit zu spielen, etwas Tabuisiertes wie zum Beispiel einen Mord als etwas Banales darzustellen. Man kann also sicherlich sagen, dass alle Protagonisten eine ganz eigene Sichtweise auf die Welt und die Menschen in ihr haben. Mir hat auch gefallen, dass sich die ersten drei Erzählungen gezielt aufeinander beziehen, aber aus unterschiedlichen Sichtweisen erzählt werden. Die restlichen sechs Kapitel werden dann mit selbstständigen Erzählungen gefüllt. Deutlich wahrgenommen und auch als positiv aufgefunden habe ich die Atmosphären, welche beschrieben werden. Schneestürme, kalte und regnerische Tage spielen eine vordergründige Rolle und stärken so das Bild der etwas schauderhaften Schauplätze, wie auch des oft auftretenden inneren Befindens der Figuren. Dennoch wird alles in diesem recht "lockeren" Ton erzählt, der einen nicht erstickt, sondern nur mit hinfort reißt und einem die kuriose Welt der Autorin offenbart. Für mich sind es gelungene Darstellungen von Lebenssituationen, die etwas Märchenhaftes haben und dennoch von diesem gewissen Alltagstrott erzählen, mit denen sich die Menschen herumschlagen. Ängste, Wünsche, Sehnsüchte, der Wunsch nach Gerechtigkeit und Ruhe. Vielfältig und einfach gut erzählt. Es war mein erstes Erlebnis mit den Werken der Autorin, aber es wird sicherlich nicht das letzte gewesen sein.

"Bitte, Bitte betete er in die eingedickte, dunstgeschwängerte Luft. Hilf mir! Mit irgendetwas, egal was! Alles was sich zu Geld machen lässt! 

Dergestalt werden Teufelspakte geschlossen. “  S.196
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Neun Erzählungen, welche den Leser nicht unbeeindruckt zurücklassen. Menschliche Sehnsüchte und Abgründe werden offenbart und das auf eine fast beruhigende Art und Weise. Liest sich an vielen Stellen wie eine Tragikomödie und besticht durch wirklich originelle und spezielle Ideen. Lässt Grausamkeiten harmlos erscheinen, als gehörten sie zum täglichen Leben dazu, zeigt aber auch auf, wie unscheinbar vieles für Menschen im Alltag ist. Spielt zudem gekonnt mit dem Realitätsaspekt.



























Vielen Dank an den Piper (Berlin) Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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